Christian Kuster ist CTO im Bereich Enterprise Networks bei Huawei. Im Gespräch mit Alltron verrät er, welche Rolle künstliche Intelligenz bei Datenverkehr, Netzwerken und Storage-Lösungen spielt und wieso KI-Buzzwords bei Huawei eine kleinere Rolle spielen wie bei manch anderem Hersteller.
Kannst du uns sagen, wie dein Weg bei Huawei verlief und was sind deine Aufgaben als CTO?
Klar, ich bin vor knapp acht Jahren zu Huawei gestossen. Zu Beginn habe ich mich als IP Solutions Architect um unsere Carrier-Kunden gekümmert und seit vier Jahren bin ich nun im Enterprise Networks Bereich tätig, aktuell in der Funktion des CTOs. Somit trage ich die Verantwortung für das Netzwerk Geschäft in der Schweiz.
Wie sieht ein typischer Tag von dir aus?
Ein grosser Teil meines Jobs ist die Beratung unserer Kundschaft im Netzwerksegment auf der strategischen Ebene. Gemeinsam suchen wir die für sie passende Lösung oder zumindest die technologische Stossrichtung für ihren Anwendungsfall.
Wie können wir das Unternehmen technologisch weiterbringen? Welche unserer Lösung passt am besten in die bestehende Umgebung? Um diese Fragen zu beantworten investiere ich viel Zeit darin, die exakten Anforderungen und Bedürfnisse zu kennen und gebe diese anschliessend auch an unsere Entwickler weiter, die sich um die Umsetzung kümmern. Auch wenn ich nur noch selten auf der Command-Line-Ebene anzutreffen bin, gibt es nach wie vor Momente, in denen ich selber auf der Konsole programmiere. Auch wenn es in meinem Alltag hauptsächlich um die Lösungs-Architektur auf strategischer Ebene geht, so möchte ich diesen Aspekt dennoch nicht komplett missen.
Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde, springt Huawei jetzt auch auf den Trend auf?
Aktuell ist KI ein riesiger Hype, doch eigentlich ist das für Huawei kein neues Thema. Wir haben bereits seit fünf Jahren unseren Atlas AI-Cluster im Einsatz. KI fliesst schon seit einiger Zeit in unsere Lösungen mit ein, sei es auf der Chipsatz-, Controller oder Software-Ebene. Es ist jedoch schön zu sehen, dass wir damit nun auf offenere Ohren stossen.
Kannst du ein konkretes Lösungsbeispiel mit KI nennen?
KI kommt zum Beispiel bei der Fehlerbehebung im Netzwerk zum Einsatz. Dank künstlicher Intelligenz zeigt einem das Dashboard bereits an, wo der Fehler wahrscheinlich liegt und wie dieser behoben werden kann. So kann ein Troubleshooting von Stunden auf Minuten reduziert werden. 80 Prozent aller Fehler können somit ohne langes Suchen mithilfe von KI behoben werden.
Unser Ziel ist es, ein ADN, also ein Autonomous Driving Network zu etablieren.
Christian Kuster, CTO Enterprise Networks, Huawei Technologies
Auf der letzten Huawei Messe in Shanghai wurde die All Intelligence Strategie in den Fokus gerückt, kannst du uns mehr dazu verraten?
Die All Intelligence Strategie von Huawei sieht vor, dass wir die Vorteile von künstlicher Intelligenz auf jeder sinnvollen Ebene eines Produktes oder einer Lösung implementieren. Unser Ziel ist es, ein ADN, also ein Autonomous Driving Network zu etablieren. Dieser Begriff ist angelehnt an Autonomous Driving Cars, wo wir zwischen Stufe 1 (kein autonomes Fahren) bis zu Stufe 5 (vollständig autonomes Fahren) unterscheiden. Das Ziel ist also, dass sich ein Netzwerk selbständig autonom betreibt. Im Datacenter Bereich befinden sich unsere Lösungen aktuell zwischen Stufe 3 und 4. Das bedeutet, dass über 50 Prozent der Workloads bereits autonom laufen. Wir sind der Zielstufe 5 also schon relativ nahe, wobei eine vollständig einhundertprozentige Autonomie vermutlich nicht erreicht werden kann. Ich persönlich sehe rund 90 bis 95 Prozent als durchaus machbar.
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Was sind weitere KI-Anwendungsfälle im Datacenter?
Ein weiterer Anwendungsfall ist das Thema Storage beziehungsweise konkret Block-Storage. Dieser wird seit Menschengedenken via Fiber Channel verbunden. Obwohl Huawei technologisch fast alles abdeckt, haben wir noch nie auf Fiber Channel gesetzt, denn diese Technologie hat aus unserer Sicht keine strategische Relevanz. Fiber Channel stösst langsam an seine Kapazitätsgrenzen und mit der neuesten (und vielleicht letzten) Standardaktualisierung sind nun immerhin 64Gbps möglich.
Wir sind der Überzeugung, dass spätestens ab jetzt Ethernet verwendet werden sollte, wo wir derzeit bis zu 400Gbps durchsetzen können. Eine Herausforderung ist jedoch, dass Ethernet per se nicht verlustfrei ist, es können also Datenpakete verloren gehen. Das darf bei Storage-Lösungen im Enterprise Segment nicht passieren, denn schon 0.1 Prozent Paketverlust können einen Performanceeinbruch von 50 Prozent bedeuten. Wie also lassen sich Ethernet-Architekturen verlustfrei machen? Mithilfe von KI und dedizierten Chips, welche den Traffic in Echtzeit analysieren und beispielsweise eine Queuing-Strategie auf einem Port vornehmen, sodass es keinen Paketverlust gibt. Diese Lösung basiert auf dem RoCE v2 (RDMA over Converged Ethernet) Standard und heisst NOF+ (NVMe over Fabric).
Angenommen ich bin ein Partner, Integrator oder Service-Dienstleister in diesem Bereich, dem die KI Arbeitsstunden beim Kunden und somit potentiellen Umsatz abnimmt. Wie kannst du mir meine Sorgen nehmen?
Viele Anwendungen werden deutlich einfacher, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Ich spüre teilweise eine zusätzliche Skepsis in Bezug auf KI im kritischen Produktivbetrieb. Das kann ich nachvollziehen, denn der Mensch gibt die Kontrolle über geschäftsrelevante Infrastruktur ein Stückweit an ein eigenständiges System ab. Ich sehe hier auch eine unserer Aufgaben: Die Vorteile aufzeigen, die vor allem in der höheren Effizienz liegen. Ein konkretes Beispiel: Eine kritische Änderung an einem Netzwerk oder Storage-System kann vor dem Rollout komplett simuliert werden, um so letzte Stolpersteine zu identifizieren. Im Idealfall gibt es so deutlich weniger Abend- und Wochenendeinsätze der Netzwerkverantwortlichen.
Herzlichen Dank, Christian, für das interessante Gespräch und alles Gute!